Freitag, 13. Mai 2011

Chuck Morris: souvereines

Im Doppel souverän

Die Königin werde uns bald in Empfang nehmen. Dazu einige Verhaltensanweisungen: Der Königin sei nicht der Rücken zuzuwenden, weiss gekleidete mögen links, dunkel gekleidete rechts Platz nehmen. Man solle sich selbst sein, „denn nur Sie können sich selbst sein.“

Die Anweisungen, dem in der Bar verstreuten, nicht gerade konzentrierten Publikum zum Auftakt vor dem Einlass mitgeteilt, irritieren einigermassen. Jedoch zu wenig, um über das Gesagte weiter nachzudenken. Man betritt schliesslich den Raum und hält sich verständlicherweise nicht an die Farbtrennung, noch sieht man eine Möglichkeit, der Bühne den Rücken zu kehren.

Die beiden Darstellerinnen weisen der „Kommenden Königin“ auf einer spartanischen Bühne abwechselnd Attribute zu, scheinbar willkürlich, scheinbar schlecht eingeübt, scheinbar schizophren, wenn sie als „besonnen“ und „aufbrausend“ zugleich betitelt wird. Die Audienz der Königin im Doppelpack wird zum Schwamm, zur Projektionsfläche unserer Wünsche und Bedürfnisse. Eine Allerweltskönigin präsentiert sich uns: Souverän von Ghana über Dänemark zu Russland, offensichtlich kriegstraumatisiert und nur der Liebe des Volkes verpflichtet.

Die Königin fungiert im Doppel. Es wird synchron getanzt, von Barock bis Madonna, ein jedes Bedürfnis scheint abgedeckt werden zu wollen. Werden wir dazu aufgefordert, uns unsere eigene Monarchin zu basteln? Ein am Eingang verteiltes Protokoll gibt uns minutiös Aufklärung über den Verlauf der Audienz. Unter dem fünften Punkt, L‘ENTRÉE SOLONNELLE wird die Königin angezogen, und so kleidet sie sich in ihrer Doppelung gleich selbst. Rücken an Rücken im gemeinsamen königlich-blauen Kleid ist es die Kommende Königin, welche unfähig wird, uns den Rücken zuzuwenden. Der pluralis majestatis bekommt in Chuck Morris Werk eine unerwartete Bedeutung. Ihre Majestät tanzen beeindruckend ihr BALLET COMIQUE, den Zuschauer um Assoziationen ringend seinen Eindrücken überlassend. Bis sich die Kommende Königin schlussendlich, protokollgemäss und per Lautsprecher angekündigt, zurückzieht.

Den Rückzug ins Öffentliche, dem Motto des diesjährigen Freischwimmer-Festivals entsprechend, inszenieren Chuck Morris mit ihrer Figur, deren Schicksal inmitten politischer Impotenz und gesellschaftlicher Repräsentation par Excellence als Wunschobjekt der Massen zu liegen kommt, auf eigentümliche Weise. Dass dabei ein Grossteil der Bilder der Vorstellungskraft des Publikums überlassen wird, verstärkt zwar einerseits die erahnte Idee hinter souvereines, steigert aber andererseits die Ungeduld Seiner Kritischen Wenigkeit an den Rand eines republikanischen Instinkts.

Aufführung vom 11. 05 2011 in der Gessnerallee Zürich

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