Samstag, 7. Mai 2011

Lovefuckers: King Of The Kings

Gefährliche Puppenkiste

Rund drei Jahre ist es her, dass der libysche Machthaber Muammar Abu Minyar al-Gaddafi von afrikanischen Königen und Stammesoberhäuptern zum afrikanischen König der Könige ernannt wurde. Ein Theaterstück hatte ihm bis anhin noch keiner geschrieben. Einige diplomatischen Krisen und Kriege später haben die Berliner Puppenspieler Lovefuckers für den exzentrischen Diktator nun das fehlende Puzzleteil zu seinem Personenkult geschaffen und eine rasante Bühnensatire geschaffen, die nur noch von der tagespolitischen Bühne übertroffen wird.

Mit einer schrillen Gaddafi-Puppe veranstaltet die Gruppe rund um ein Beduinenzelt eine multimediale Bühnenshow, die ein King of Pop auf MTV nicht hätte besser bestreiten können. Postiert von Militärs, die auch als Backroundtänzer in einem Musikvideo posieren könnten, stillt der schrille Herrscher im Märchenland Libyen mit glamourösen Discoklamotten, Punk und Hip Hop seinen Darstellungs- und Spieltrieb. Und seine Langeweile. 

Doch wo es den meisten Stücken um die Auslösung von Publikumsreaktionen geht, werden wir in Kings of The Kings um unseren freie Willen gebracht. Unwillentlich werden wir zu Agenten des Gaddafi-Kultes gemacht, zu den Schläfern im System. Und solange wir brav Applaus spenden und arabische Begrüssungsformeln rufen, wird die bunte Bilderwelt von King of The Kings auch nicht mit Gewehrsalven unterbrochen.  Dabei tut Gaddafis Gefolge alles, um die Scheinwelt aufrechtzuerhalten, innerhalb der sich die wellenförmigen Launen des Dikators in rasender Geschwindigkeit ausbreiten. Etwa dann, wenn ihm die in einem Käfig eingesperrten Schweizer Vögelchen abhanden kommen oder ihm die Pointe eines Gaddafi-Witzes in den falschen Hals gerät.

Dabei scheuen sich die Lovefuckers auch nicht davor zurück, Gaddafi beim Urinieren zu filmen, uns dabei zusehen zu lassen, wie er sich von der befreundeten Berlusconipuppe den Hinter versohlen lässt oder als quengelndes Kind über die Bühne getragen wird. „Ich furze auf die Schweiz“, brüllt die Puppe hysterisch. Politisch gemeint ist diese Puppenkiste keinesfalls. King Of The Kings untersucht vielmehr den Zusammenhang zwischen Politik- und Popikone, Macht und Charisma.

Dabei erweist sich das Medium der Puppe als Satiremittel schlechthin, um die maskenhafte Mischung aus Grausamkeit und Kindlichkeit, die Gaddafis Wesenszüge ausmachen, zu veräusserlichen. Gaddafi „ent“puppt sich als verspielter und deshalb unberechenbarer Machthaber, dessen Interesse am menschlichen Spielzeug solange anhält, bis er neue Beschäftigungen findet. Nur verspielen darf man es sich mit ihm nicht.

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