Dienstag, 10. Mai 2011

Lovefuckers: KING OF THE KINGS



Gaddafi-Trash mit Gebrüll



Ganz gross feiert sich der älteste Diktator der Welt in seinem Theaterstück, das er selbst schrieb, weil noch niemand eines über ihn geschrieben hat: In der ersten Szene bekommt er von der Stadt Zürich zwei grüne Fahnen geschenkt. In der zweiten Szene kauft er sich Waffen und wickelt dann das ganze Diktatoren-Programm ab. Für alle, die sich jetzt fragen, wie das Stück wohl ist: Ein Theaterstück über Gaddafi muss schlecht sein. Es ist Trash mit viel Gebrüll und Sicherheitskräften.



Doch das schlechte Stück will den Lovefuckers (Anna Menzel und Annemie Twarda, ergänzt durch Nils Zapfe und Dennis Katzmann), die den Protagonisten, eine Gaddafi-Baby-Puppe, hätscheln, mit dem eigenen Leib schützen und sogar auf der Toilette bedienen, nicht so recht gelingen. Zu überraschend sind die phantasievollen Höhepunkte dieser grotesken Verrücktheit: Berlusconi als Stargast, aus dessen Mund Muammar fast wie mi Amor klingt und der Gaddafi anbietet sich in seinem Bauch zu verstecken. Eine in einen Vogelkäfig gesperrte Swiss-Hiking-Group (vielleicht der Bundesrat auf seiner "Schulreise"?), die Gaddafi so gern für sich singen hört, doch schlussendlich als Streubombe einsetzt, um damit die Schweiz vollständig zu eliminieren. Masslose Absurditäten à Discrétion.



Die Gaddafi-Baby-Puppe, die sich fremdgesteuert selbst-inszeniert, vermittelt ein Bild von einem Scheusal, dem man alles zutraut und davon wird auch alles Erdenkliche gezeigt: Libyens extremster Exportschlager nennt sich MC G, er ist Ideenheld, Buchautor, masochistischer Stangentänzer, Waffenfanatiker, stolzer Besitzer eines fliegenden Teppichs.... Der Puppen-Politthriller zeigt eine Ansammlung von Phantasien, Befürchtungen, Gerüchten, Fakten, Möglichem, Vermutlichem und hoffentlich zumeist keine Wirklichkeiten.
Bei der Unterscheidung von Darstellung der Wirklichkeit und frei Erfundenem gewährt dieses Stück keinen Durchblick. So schreit selbst Gaddafi, als der neuste Witz über ihn erzählt wird, "das kann so nicht gewesen sein!".



Die Gaddafi-Baby-Puppe verkörpert, unabsichtlich aber mühevoll eine globale Witzfigur. Sie ist Projektionsfläche für jegliche Charakterlosigkeit von Unflätigkeit bis zum Verbrechen. Ein Hirngespinst in den Köpfen der Menschen oder ein Produkt der Medien und der Selbstdarstellung.



Dieses Puppenspiel ist eine gelungene schwarze Komödie. Schon immer wurden über Schreckliches Witze gerissen und sie sind oft gar nicht schlecht. Hier können wir uns in einem von der Wirklichkeit abgekapselten Puppen-Libyen, in das wir vom libyschen Reiseführer und Schönredner geführt werden, über eine Figur erheitern, deren reelles Pendant momentan überhaupt nicht zum Lachen ist.





Christina









Aufführung vom 07.05.2011 im Theaterhaus Gessnerallee Zürich

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